Dr. Carsten Rommel

Beschleunigung, Inflation, der berühmte Tanz auf dem Vulkan und das Gefühl des ständigen „Flottierens von Übergang zu Übergang“ (Sloterdijk) – die Zeit zwischen den 20er und frühen 30er Jahren wird mehrheitlich unter den Vorzeichen eines Krisendiskurses rezipiert. Die Literatur dieser Dekade begegnet dem liminalen Lebensgefühl der Zeitgenossen mit einer thematischen Hinwendung zum Gegenwärtigen. Diese Studie möchte die Kehrseite des ubiquitären Gegenwartsbezugs der Zwischenkriegsjahre beleuchten, denn während SchriftstellerInnen als Chronisten ihrer Zeit neue Schreibstile und -techniken zur Erfassung der eigenen Jetztzeit entwickeln, entwerfen sie zugleich ein komplementäres Figurenkabinett, dessen Verankerung in der Gegenwart mit dem Ausschluss der benachbarten Zeithorizonte Vergangenheit und Zukunft bezahlt wird und damit die spezifische Herausforderung der Moderne – ein individuelles Subjekt zu konstituieren – widerspiegelt. Nur auf den ersten Blick betreten im Kriegsheimkehrer, im Hochstapler als auch im Tramp unvereinbare Typen die literarische Bühne der Moderne, denn diese sind nicht nur als exemplarische Verkörperungen einer Übergangsperiode vergleichbar, sondern vielmehr in ihrer gemeinsamen Signatur einer ‚bindungslosen Gegenwart‘. 

Baden-Baden: Ergon 2022.

Hannover: Wehrhahn 2021.

in: Sven Bordach u.a. (Hrsg.): Zwischen Halbwertszeit und Überzeitlichkeit. Stationen einer Wertungsgeschichte literarischer Gegenwartsbezüge, Hannover: Wehrhahn 2021, S. 157–177.